Zum sechsten Mal findet die Green Fashion Conference des Consortiums of Green Fashion Indien statt: am 5. & 6. Oktober. Und natürlich sind auch wir wieder mit dabei! Das Consortium of Green Fashion hat sich 2012 in Indien gegründet, um das ökologische Bewusstsein in der Mode- und Textilindustrie zu stärken und als Informationsplattform für Entscheider in der Industrie zu dienen. Indien als zweitgrößter Faser- und Textilproduzent weltweit hinter China benötigt angesichts oft katastrophaler Arbeitsbedingungen und unzumutbarer Zustände auf den Baumwollfeldern und in den weiterverarbeitenden Betrieben dringend solche vorbildlichen Initiativen.
Eines der CGF Logos
Das Consortium of Green Fashion geht auf eine Initiative der School of Fashion Technology SOFT Pune, Indien zurück. Benjamin Itter ist für Lebenskleidung von Anfang an dabei und hat bereits während seiner Indienaufenhalte in den Jahren 2006-2008 (als Lebenskleidung gegründet wurde) in seiner Projektarbeit für das Goethe Institut Pune (Max Mueller Bhavan) die ersten Kontakte geknüpft und die erste Konferenz in Kooperation durchgeführt. Heute sitzt er im Beirat des Vorstandes des Konsortiums.
Benjamin Itter auf der Consortium of Green Fashion India Conference 2015
SOFT Pune wurde 1998 in Zusammenarbeit mit dem National Insitute of Fashion Technology, Indien mit dem Ziel gegründet, ausschließlich junge Frauen zu fördern und auszubilden, welche die Entscheider von Morgen in der indischen Textilindustrie werden. Die Dachgesellschaft Maharshi Karve Stree Shikshan Samstha widmet sich bereits seit 1896 (!) der Ausbildung und Förderung von Frauen. Durch regelmäßige Workshops mit dem Fokus auf die Themen Grüne Mode, faire Geschäftspraktiken und Upcycling bringt SOFT heute seine Studentinnen exklusiv mit allen Fragen rund um Nachhaltigkeit in der Textilindustrie in Berührung. Die letzten Jahre waren vor allem die Modeschauen des Green Fashion Consortiums (mit ausschließlich nachhaltigen Materialien) in ganz Indien Gesprächsthema.
Mehr als 80% aller weltweit per Hand hergestellten Textilien, das heißt handgesponnene, handgewebte oder per Hand bestickte Stoffe und Textilien kommen aus Indien. Ca. 100 Millionen (!) Menschen in Indien verdienen ihren Lebensunterhalt mit der traditionellen Herstellung von Textilien.
Eine Frau im indischen Bundesstaat Bihar spinnt Baumwolle
Khadi Der Begriff Khadi geht auf Mahatma Gandhi zurück. Im Zuge des indischen Unabhängigkeitskampfes von der Kolonialmacht des Britischen Empires war Kadhi, dass heißt ein auf dem Spinnrad handgesponnenes und folgend handgewebtes Stück Baumwollstoff, ein wichtiges Symbol. Man muss wissen, dass die Kolonialmacht England damals massenhaft Baumwollprodukte aus indischer Rohbaumwolle nach Indien zurück exportierte. Gandhi hatte die Inder in den 1930er und 40er Jahren aufgefordert, Baumwolle zu spinnen und Baumwollstoffe zu weben, um so ein Zeichen gegen diese Billigimporte und somit ihre Abhängigkeit zu setzen.
Mahatma Gandhi am Spinnrad, dem Zeichen der indischen Unabhängigkeit
England war in dieser Zeit die Hochburg der Textilproduktion. Gandhi erkannte sehr früh, dass zur politischen Unabhängigkeit vor allem auch die ökonomische Unabhängigkeit gehörte. Seine Vision war, dass jedes Dorf Indiens, seine eigene Baumwolle spinnt, diese verwebt und die daraus hergestellte Kleidung lokal verkauft würde. So bliebe die komplette Wertschöpfung im Land und noch viel mehr, sogar im Dorf. Vielleicht kennt ihr die Bilder von Mahatma Gandhi, wie er in ein großes Stück Baumwolltuch gehüllt ist. Das ist Khadi.
Mahatma Gandhi trägt Khadi
Das Spinnrad wurde zum Symbol der indischen Unabhängigkeit und fand sich sogar in der Vor-Unabhängigkeitsflagge der indischen Nationalflagge wieder.
Bis heute darf die indische Nationalflagge nur aus Khadi gemacht sein und nur eine Insitution, die KKGSS darf die Flagge herstellen.
Zuerst wurde Gandhi für seine Idee ausgelacht, da er mit Hilfe des Webstuhls die Unabhängigkeit von der Weltmacht des britischen Empire erkämpfen wollte. Darauf antwortete Gandhi:
Der Webstuhl ist machtvoll, weil er so klein ist. Er passt in die Hand der ärmsten Frau in der kleinsten Hütte im winzigsten Dorf. Mit Hilfe des Spinnrads wird jede einzelne Person zu einem Machtfaktor gegen das Empire!
Indische Kleidungstraditionen In Indien trägt man traditionell den Sari, einen Salwar Kamiz (ein Kamiz ist ein längeres Hemd, das locker über einer Hose (Salwar) getragen wird und in aller Regel ab der Hüfte abwärts geschlitzt ist, um mehr Bewegungsfreiheit zu ermöglichen), dazu einen Dupatta (einen langen Schal oder Schleier) oder Männer eine Kurta (ein weit geschnittens Hemd).
Verschiedene Sari Stile
Eine Dupatta in verschiedenen Stilen drapiert
Eine Kurta
Khadi und handgewebte Stoffe waren auch nach der indischen Unabhängigkeit 1947 immer präsent. In Indien schätzt man Traditionen. Heute gibt es 28 Bundesstaaten, das indische Föderalsystem ähnelt dem Deutschen. Jeder Bundesstaat und jede Region haben ihre eigenen Bräuche, ihre eigenen Gerichte und auch ihre eigenen Textiltraditionen. Im südindischen Kerala findet man andere Kleidungsbräuche als zum Beispiel im nordindischen Benares. Eine Frau aus dem westindischen Maharashtra erkennt an den Motiven, den Farben und der Art und Weise wie ein Sari gebunden ist, woher eine Mitreisende im Zug kommt.
Die verschiedenen Kleidungsstile Indiens[/caption] Seit den 1990er Jahren, der Perestroika in der ehemaligen Sowjetunion und dem Zerfall des Ostblocks, hat der Kapitalismus auch in Indien Einzug gehalten (Indien war und ist qua Verfassung noch eine sozialistische Republik). Mit der Öffnung der Märkte für westliche Waren und Dienstleistungen haben auch westliche Kleidungskonzerne und westliche Kleidung Indien nach und nach überschwemmt. Indien wurde noch mehr Teil der westlichen und globalen textilen Kette, mit allen bekannten Abhängigkeiten und leider oftmals auch Ausbeutungspraktiken. Auf der Konsumentenseite wurden wie bei uns im Westen neue Rollenbilder durch die Werbung kommuniziert, junge Inder wurden zu großen Fans von Jeans und Sneakers der bekannten Marken.
Die indische Vogue mit einem Badeanzug Cover
Im Zuge dessen wurden auch traditionell hergestellte Textilien für eine große Menge von Menschen uninteressant. Die oftmals nicht qualitativ hochwertige Herstellung, ausblutende Farben, langweilige Designs und Stoffe und die gegenüber den glamourösen neuen Geschäften langweiligen „State-Emporiums“, das heißt staubige, staatlich geführte Läden, trugen ihr übriges dazu bei. Jedoch kann man im großen und ganzen keineswegs von einer Verdrängung der indischen Textiltradition sprechen. Nur dass diese eben nun nicht mehr nach traditionellen Weisen hergestellt werden. Sie wurden und werden neu erfunden und der jungen Generation präsentiert.
Traditionelle indische Kleidung neu in Szene gesetzt
Kurta einmal neu gedachtt
Seit einigen Jahren erleben auch Khadi und Handloom ein Revival! Viele Menschen in Indien erkennen, dass mit dem Einzug westlicher Lebens- und Konsumweisen ein großes Stück nativer Kutur in Gefahr ist. Inder sind grundsätzlich sehr patriotisch und zu Recht stolz auf die wahnsinnige kulturelle und textile Vielfalt des Landes. Bekannte indische Desiger wie Ritu Kumar (die auch auf der Konferenz anwesend war), Rohit Bal oder Malini Ramani begannen in den 2000er Jahren sich wieder vermehrt für handgewebte Textilien zu interessieren. Der Staat fördert mit der India Handloom Brand den Erhalt traditioneller Textiltechniken und den Erhalt von Millionen Arbeitsplätzen in diesem Sektor
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India Handloom Brand wird vom indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi vorgestellt
Damit Khadi und handgewebte Textilien auch in Zukunft eine Chance haben, sind sich viele Akteure der Modeszene Indiens einig, dass beide einen moderneren Anstrich verpasst bekommen müssen. Darauf zielte auch die diesjährige Konferenz ab. Avantgarde Designer wie Rahul Mishra, Anju Modi, oder Anita Dongre haben „Khadi and Handloom“ in den letzten Jahren bereits auf eine neue Stufe gehoben.
Rahul Mishras Kollektion in Paris
Paneldiskussion
Die CFG Fashion Show
Was hat das Ganze nun mit Slow Fashion zu tun? Nun, eine lokale Produktion, die Verwendung von Naturfasern, umweltfreundliche Farben und eine sozialverträgliche Herstellung sind auch die Stichworte der Ethical Fashion Szene. Und bei Slow Fashion geht es um mehr, als um die reine nachhaltige Mode. Es geht um ein Bewusstsein, um eine Wertigkeit der Dinge, um das Hinterfragen, wer die Kleidung hergestellt hat, die man trägt. So beginnt alles bei einem selbst. Grüne Mode ist in diesem Sinne eine Philosophie, die eben mehr umfasst, als nur korrekte Kleidung. Wie Gandhi sagte:
Sei du selbst die Veränderung, die Du Dir wünschst für diese Welt.