In der vergangenen Woche drehte sich bei uns (fast) alles um die Fashion Revolution Week. Viele von Euch wissen: Die Geburtsstunde der weltweiten Bewegung ist so markant wie tragisch: Es war der 24. April 2013, als Rana Plaza einstürzte, ein achtgeschossiges Gebäude im bengalischen Sabhar, in dem sich hauptsächlich Textilarbeiterinnen aufhielten. Mehr als 1.100 Menschen kamen ums Leben und beinahe dreimal so viele wurden schwer verletzt. Dass das Gebäude einsturzgefährdet war und diese Tatsache den Verantwortlichen offenbar auch hinlänglich bekannt gewesen ist, davon erzählt der 400-seitige Bericht der Untersuchungskommission. Ungeschehen machen kann das die Tragödie aber nicht. Dazu bedarf es - und hier setzt Fashion Revolution an - eines globalen Netzwerkes, das die Modeindustrie nachhaltig und nachdrücklich ändert und beobachtet & indexiert, in welchem Umfang bestimmte Unternehmen sich in puncto Transparenz verbessern.
Der Fashion Transparency Index tut genau das. Seit 2016 bewertet er die weltweit größten Marken in Bezug auf Transparenz in der Lieferkette sowie Sozial- und Umweltpolitik. Untersucht werden dabei Brands, die jährlich einen Umsatz von mindestens 500 Millionen US-Dollar machen - in diesem Jahr waren das 200 Marken. Inhaltlich geht es insbesondere um fünf Schlüsselbereiche, die für das Ranking relevant sind:
1 Grundsätze und Verpflichtungen
2 Steuerung
3 Verfolgbarkeit der Lieferkette
4 Lieferantenbewertungen, Korrekturen und Missstände
5 'Spotlight-Themen', also drängende Fragen nach bspw. Geschlechtergleichstellung, Arbeitsschutz oder Klimaschutzmaßnahmen
Die Methodik steht und fällt mit der Bereitschaft der Firmen, Informationen zu den genannten Punkten zu teilen. Je mehr Bereitwilligkeit zur Transparenz, desto besser die Resultate, so die einfache Logik des Fashion Transparency Index.
Das Gute nun vorweg: Es hat sich in den vergangenen vier Jahren tatsächlich vieles verbessert. Bei 250 zu erreichenden Punkten haben Adidas, Reebok und Patagonia jeweils 64% geholt und teilen sich damit den ersten Platz. Es folgen Esprit, H&M, C&A, Asos und Puma. Im Vergleich zu den beiden Vorjahren ist das ein deutlicher Fortschritt: 2017 hatte es keine der Marken über die 50%-Hürde geschafft. Es zeigt sich, dass vor allen Dingen Marken, die im Sportswear- und Outdoor-Bereich agieren, wachsende Bereitschaft zeigen, zu den genannten Key Points Stellung zu beziehen.
Sarah Ditty, die Policy Director bei Fashion Revolution ist, vermerkt dazu im offiziellen Pressebericht zum Fashion Transparency Index: "Die Fortschritte, die wir in diesem Jahr beobachten können, und die Rückmeldungen, die Fashion Revolution von den Marken erhalten hat, legen nahe, dass die Aufnahme in den Fashion Transparency Index die großen Modemarken zu mehr Transparenz motiviert hat. Wir sehen, dass viele Marken ihre Lieferantenlisten veröffentlichen und ihre Punktzahlen von Jahr zu Jahr verbessern." Diese Verbesserung lässt sich sogar ganz exakt beziffern: Bei den 98 Marken, die bereits 2017 und 2018 überprüft wurden, hat sich der durchschnittliche Score um 8,9% verbessert. 11 dieser Marken haben ihren Score sogar um über 10% anheben können - eine Zahl, die zeigt, dass der Druck in der Branche offenbar wächst.
Im Bereich der Luxusmarken konnten insbesondere Gucci und Bottega Veneta punkten. Mit einem Rating zwischen 31 und 40% liegen sie zwar deutlich unter den oben genannten Sportmarken, haben dafür aber in den Bereichen "Grundsätze und Verpflichtungen" und "Steuerung" 100% erreichen können. Auch Chanel, Sandro und Dior konnten ihre Scores verbessern und zeigen, dass vermehrt auch die großen Modehäuser Informationen zu ihren Lieferketten offenlegen.
So positiv die Entwicklungen auf den ersten Blick auch scheinen, so sehr bemüht sich Ditty dennoch auch darum, zu betonen, dass die Arbeit noch lange nicht getan ist. Außerdem gibt der Index natürlich nicht unmittelbar Aufschluss darüber, wie ethisch oder nachhaltig ein Unternehmen agiert, sondern bildet zunächst einmal ab, wie groß die Bereitschaft der Marken ist, sich öffentlich zu ihren Menschenrechts- & Umweltpraktiken und deren Konsequenzen zu bekennen. Dass das aber einer der wichtigsten Hebel zu mehr Verantwortung & Verbindlichkeit ist, bestätigt Ditty gleichermaßen: "Wir werden den Index weiterhin nutzen, um den Fortschritt der Marken zu messen und sie härter und schneller dazu zu bringen, mehr Verantwortung für ihre Richtlinien, Praktiken und Auswirkungen zu übernehmen."
Ihr möchtet einen Blick in den aktuellen Fashion Transparency Index werfen? Dann schaut hier nach!