Nele Gerlach

 

Lang lang ist's her, dass wir ein Interview geführt haben. Umso schöner, dass wir uns unlängst mit Nele Gerlach, die hinter dem Münsteraner Label isarti steht, unterhalten konnten. Nele hat unter anderem mit unserem Re-Woven in Navy gearbeitet und daraus ein traumhaftes Kleid gefertigt. Zum Stoff gelangst Du hier und einen ausführlichen Beitrag dazu, was genau das Material auszeichnet und wie Du es am besten pflegst, findest Du hier.

 

Hallo! Stell Dich doch einmal kurz vor.

Ich bin Nele Gerlach, 33 Jahre alt und die Gründerin von dem Fair Fashion Label „isarti“. In Münster habe ich mein Atelier und Lebensmittelpunkt gefunden. Hier bin ich ebenfalls aufgewachsen und habe nach dem Abitur eine Ausbildung zur Maßschneiderin gemacht. Nach der handwerklichen Ausbildung setzte ich meinen Weg in der Mode fort und studierte in Mönchengladbach an der Fachschule für Gestaltung. 2015 habe ich dort den Abschluss zur staatlich geprüften Modedesignerin erlangt.

Danach ging es für mich nach bella Italia. Nach einem dreimonatigen Praktikum bei dem Modelabel „Morfosis“ in Rom, habe ich es tatsächlich in das Haute Couture Atelier Valentino Garavani geschafft und zwei Jahre für das Modehaus als Couture-Schneiderin gearbeitet. Neben Brautkleidern und Red Carpet Looks arbeitete ich in einem Team aus 60 Schneider*innen an den Couture Kleidern für die Schauen in Paris und durfte auch dort hinter den Kulissen dabei sein.

Wann wurde das Label gegründet und was hat den Ausschlag dafür gegeben?

2021 gründete ich in Münster das Label „isarti“ (ital. i sarti = die Schneider*innen). Die Selbstständigkeit war immer ein Ziel vor meinen Augen, das ich erreichen und umsetzten wollte. Mir ist besonders wichtig das Schneiderhandwerk und die Wertschätzung von Bekleidung im Fokus zu behalten und möglichst lokal und nachhaltig zu fertigen. Während des Studiums hatte ich mich intensiv mit den negativen Auswirkungen und Bedingungen in der Textilindustrie auseinandergesetzt und für mich war klar, dass ich mit meiner Arbeit nicht Teil dieser Maschinerie sein möchte. Als Schneiderin und Modedesignerin kann ich mit isarti meine Werte und meine Einstellung zur Modebranche an meine Kundinnen weitergeben und die Wertschätzung für das lokale Handwerk und Design wiederbeleben.

isarti
Fotos: Franca Hengstermann

Verkaufst Du Deine Stücke eher online oder bist Du auch offline zu finden - auf Märkten, in Läden oder mit einem eigenen Shop?

Aktuell verkaufe ich hauptsächlich über Märkte und Ausstellungen (Pop-Up Stores, Messebesuche usw.). Die bisherige Erfahrung zeigt, dass ich über den direkten Kontakt zu Kundinnen meine Produkte und Arbeiten sehr gut kommunizieren kann. Langfristig möchte ich den isarti-Onlineshop voranbringen und auch online deutlich mehr verkaufen. Also, schaut auf jeden Fall auf meiner Internetseite www.isarti.de vorbei und entdeckt dort die nachhaltigen casual Business-Styles.

Wie steht es um die nachhaltige Modewelt in Deiner Heimat oder dort, wo Du arbeitest? Kann man einen Shift hin zu mehr Nachhaltigkeit beobachten, sowohl was die Käufe betrifft als auch die öffentlichen Gespräche darüber?

Münster ist nicht bekannt als die Modemetropole, dennoch herrscht hier eine starke Kaufkraft und die Menschen sind offen für gutes Design und faire, lokale Produkte… aber bitte nicht zu „experimentell“ ;) In Münster gibt es eine Hand voll Einzelhändler, die sich auf Fair Fashion spezialisiert haben und auch das Angebot an Secondhand-Bekleidung wächst hier sichtbar. Das Sortiment im nachhaltigen Modebereich beschränkt sich hierbei jedoch hauptsächlich auf Basic- und schlichte Alltagsmode. Ich sehe ein starkes Potenzial auch die High Fashion und exklusiveren Designs als nachhaltige und faire Produkte anzubieten. Faire Mode soll Spaß machen und keine Einschränkungen im Stil und Design vorgeben.

Generell bin ich der Meinung, dass durch die Abwanderung der Textilindustrie in die Billiglohnländer ein großer Teil der Wertschätzung von Bekleidung in unserer Gesellschaft verloren gegangen ist. Die Menschen haben sich daran gewöhnt, dass neue Kleidung immer günstig und schnell verfügbar ist. Die Arbeit und Entwicklung, die in einem fertigen Textil stecken, sind für die Konsument*innen nicht mehr sichtbar. Es wird vermutlich noch lange dauern, dieses Bewusstsein und Verständnis wieder zurückzubringen.

Mit welchen Schwierigkeiten hast Du immer wieder zu tun, und noch wichtiger: wie löst Du sie?

Die Sichtbarkeit zu bekommen, die meine Arbeit verdient. Als Solo-Selbstständige kümmere ich mich um die Produktentwicklung, die Fertigung, das Marketing, den Vertrieb, usw. Manches klappt mehr oder weniger gut. Die Präsenz auf Social Media überfordert mich häufig und ich bin mir unsicher, ob das wirklich die richtige Plattform für mein Label darstellt. Auf Messen und Ausstellungen gelingt es mir sehr gut mit den Menschen in Kontakt zu treten und ich bekomme immer ein direktes Feedback von den Kund*innen.

In Bezug auf die Fertigung nachhaltiger Bekleidung ist für mich das Material Sourcing eine Herausforderung. Im Basic-Bereich ist meiner Meinung nach das Angebot recht groß, mir fehlen aber Innovationen und exklusivere Materialien, die mir als Designerin einen kreativen Spielraum lassen und meine Entwürfe nicht einschränken. Hier habe ich für mich die Lösung entwickelt, dass ich erst schaue, was ich an Stoffen und Materialien finde und daraufhin die Entwürfe für meine Kollektionsteile ausarbeite. Zudem finde ich das Angebot an deadstock fabrics sehr spannend. Auch wenn die Materialien häufig nicht nachhaltig produziert wurden, bietet die Verarbeitung von deadstock fabrics eine größere Vielfalt an ausgefallenen Materialien und verhindert die Entsorgung ungenutzter Restmetragen.

Was bedeutet Nachhaltigkeit für Dich - im Beruf, aber auch privat?

Nachhaltigkeit ist kein fest definierter Begriff. Jeder Mensch kann in seinem persönlichen Rahmen Nachhaltigkeit auslegen. Für mein privates Leben definiere ich Nachhaltigkeit so: Nachhaltigkeit bezieht sich auf die Fähigkeit, eine Lebensweise zu führen, die die Umwelt schützt und erhält, soziale Gerechtigkeit fördert, ohne die Bedürfnisse zukünftiger Generationen zu gefährden.

Für mich bedeutet Nachhaltigkeit in erster Linie einen bewussten Umgang mit Ressourcen und unserer Umwelt zu fördern und zu leben. Immer wieder stelle ich meine Bedürfnisse in Frage und entscheide bewusst über die Notwendigkeit einer Handlung. Diese Reflektionen kann ich sowohl auf meinen Konsum, auf unternehmerisches Handeln, als auch auf mein soziales Umfeld anwenden.

In Hinblick auf mein Label isarti, möchte ich mit der Produktion „on demand“ die bewusste Kaufentscheidung fördern und eine echte Vorfreude auf das Kleidungsstück hervorrufen. Damit steigen dann hoffentlich auch die Wertschätzung und Langlebigkeit der Kleidung bei den Träger*innen. Für die schnell konsumierenden Kund*innen, habe ich immer eine ausgewählte Kollektion an Upcycling-Unikaten vorrätig, von Scrunchies aus Krawatten, über Stulpen aus Reststoffen, bis zu aufgewerteter Secondhand Bekleidung.